zusammen mit der Klinik für Lungenheilkunde des Universitätsklinikums Gießen bilden wir das mittelhessische Lungentransplantationszentrum. An unserer Klinik werden Lungentransplantationen zur Behandlung von Endstadien verschiedener Lungenerkrankungen angeboten, die häufigsten sind das Lungenemphysem, die Lungenfibrose, der Lungenhochdruck und die Mukoviszidose. In enger interdisziplinärer Kooperation mit lokalen und überregionalen Partnern werden diagnostische und therapeutische Eingriffe auf qualitativ hochwertigem Niveau und entsprechend den neuesten medizinischen Erkenntnissen angeboten.
Mit freundlichen Grüßen
Priv.-Doz. Dr. S. Guth, Direktor der Abt. Thoraxchirurgie
Verschiedene Lungenerkrankungen im Endstadium stellen die Indikation für eine Lungentransplantation dar. Lebenserwartung und Lebensqualität der Patienten sind in dieser Phase dramatisch limitiert. Die Patienten leiden bereits bei geringsten Anstrengungen unter erheblicher Luftnot. Viele Patienten, die auf eine Lungentransplantation warten, benötigen eine Sauerstoff–Langzeittherapie.
Die zahlenmäßig häufigsten Transplantationen werden bei folgenden Erkrankungen durchgeführt:
Seltenere Indikationen sind:
Grundvoraussetzung für die Entscheidung zur Transplantation ist die kontinuierliche Verschlechterung des klinischen Zustandes der Patienten trotz Ausschöpfung sämtlicher medikamentöser und chirurgischer Therapieoptionen. Die obere Altergrenze für eine Lungentransplantation wird in der Regel mit 65 Jahren angegeben. Wichtiger jedoch als das chronologische Alter sind allerdings der Allgemeinzustand des/der Patienten/in sowie das Fehlen weiterer relevanter Begleiterkrankungen und das Funktionieren der anderen Organsysteme (Niere, Herz).
Lungentransplantationen am Mittelhessischen Lungentransplantationszentrum, Aufteilung nach Grunderkrankungen (Stand 201..):
Untersuchungen zur Aufnahme auf die Warteliste
Ziel der Diagnostik ist es, die grundsätzliche Eignung des Patienten für die Transplantation zu prüfen und im Falle der Eignung das individuelle Risiko zu erfassen.
Neben der Untersuchung der Lungenfunktion und des Herz-Kreislaufsystems wird der gesamte körperliche Zustand analysiert. Dazu gehören Röntgenuntersuchungen und Ganzkörper-Computertomographie, Ventilations-Perfusions-Scan, Abdomensonographie, Magen-Darm-Spiegelung, augen- und HNO-ärztliche Diagnostik sowie eine Beurteilung und Sanierung des Zahnstatus.
Umfangreiche Untersuchungen des Blutes dienen dem Ausschluss latenter Tumorerkrankungen, chronischer Infektionen und der Diagnostik hinsichtlich der Verträglichkeit eines potentiellen Spenderorgans sowie der Blutgruppenbestimmung. Im Rahmen der Untersuchung des Herz-Kreislauf-Systems wird neben der Herzultraschalluntersuchung (Echokardiographie) auch eine Rechtsherz-Katheteruntersuchung durchgeführt, um die Druckverhältnisse im Lungenkreislauf zu überprüfen.
Eine spezielle transplantations-psychiatrische und psychosomatische Beurteilung ist ebenfalls Bestandteil der Diagnostik. Sind alle Untersuchungen abgeschlossen, werden die Ergebnisse zusammengestellt und in einer Transplantationskonferenz besprochen, um zu entscheiden, ob und wann ein Patient auf die Warteliste aufgenommen werden kann.
Aufnahme auf die Warteliste
Die Aufnahme eines Patienten auf die Warteliste erfolgt bei gegebener Indikation und sofern sich aus der vorbereitenden Diagnostik keine Kontraindikationen ergeben haben. Faktoren, die gegen eine Transplantation sprechen, sind das Alter des Patienten –gegenwärtige Empfehlung: Altersgrenze 65 Jahre-, eine maligne Grunderkrankung oder das Vorkommen eines Krebsleidens in den letzten 5 Jahren vor der Entscheidung zur Transplantation, therapieresistente Infektionen oder Systemerkrankungen sowie schwere, irreversible Erkrankungen anderer Organe (Herz, Leber, Niere) und die fehlende Motivation und Kooperationsbereitschaft des Patienten. Ein pauschaler Ausschluss in der Entscheidung zur Transplantation aufgrund dieser Kriterien ist allerdings nicht sinnvoll. Aus diesem Grunde sollte die individuelle Beratung und definitive Entscheidungsfindung immer in einem Expertenzentrum erfolgen. Ein aktiver Nikotin-, Medikamenten oder Drogenmissbrauch ist hingegen immer ein Ausschlusskriterium. Die definitive Entscheidung zur Aufnahme auf die Warteliste wird in der interdisziplinären Transplantationskonferenz getroffen, an der alle beteiligten Fachrichtungen teilnehmen.
Ein Arzt aus dem Transplantationszentrum führt vor Aufnahme auf die Warteliste mit dem Patienten ein strukturiertes Erstgespräch. Nach Aufnahme auf die Warteliste folgen ausführliche Aufklärungsgespräche durch die chirurgische Abteilung und die Narkoseabteilung, welche folgende Punkte umfassen:
Wartezeit
Während der Wartezeit werden alle Patienten in der Transplantationsambulanz am Universitätsklinikum Gießen betreut. Hier werden in etwa 12-wöchigen Abständen die Untersuchungen durchgeführt, die zum Erhalt der Wartelistenposition (sog. Lung Allocation Score, LAS) des/der Patienten erforderlich sind. Außerdem wird regelmäßig die fortbestehende Indikation zur Transplantation überprüft.
Grundsätzlich gilt -wie für alle großen Operationen- je besser der Patient sich körperlich auf die bevorstehende Operation vorbereitet, umso leichter wird es hinterher. Für Lungenkranke bedeutet dies insbesondere, mobil zu bleiben und die ärztlichen Verordnungen (z.B. Medikamente, Inhalationen, Sauerstoff-Langzeittherapie, Krankengymnastik, Atemtherapie) gewissenhaft einzuhalten.
Folgende Aspekte sind für gelistete Patienten außerdem wichtig:
1. Die Organvermittlung
Für die Organvermittlung ist die Eurotransplant-Stiftung mit Sitz in Leiden (Niederlande) verantwortlich. Eine Organvermittlung darf ausschließlich über diese Organisation erfolgen. Für jedes gemeldete Spenderorgan werden dort anhand der vorliegenden Patientendaten die in Frage kommenden Empfänger ermittelt. Die Organzuweisung für einen Patienten erfolgt nach der Dringlichkeit, d. h. sie richtet sich danach, wie krank ein Patient st. Die Dringlichkeitsstufe (Position auf der Warteliste) bei der Lungentransplantation wird seit 2011 durch den sog. Lung Allocation Score (LAS) abgebildet. Dieser Punktewert zwischen 0 und 100 definiert die Position des Patienten auf der Warteliste, unabhängig von der Wartezeit. Je höher der Wert ist, umso kränker ist der Patient und umso wahrscheinlicher wird eine zeitnahe Transplantation, wobei die exakte Wartezeit schwer zu kalkulieren ist. Der durchschnittliche LAS zum Zeitpunkt der Transplantation liegt in Deutschland zwischen 40 und 45. Weitere Kriterien für die Zuordnung von Spender und Empfänger sind die gleiche Blutgruppe und passende Größe und/oder Körpergewicht. Abweichungen bis zu 20 Prozent sind im Einzelfall akzeptabel. Dies hängt von verschiedenen medizinischen Faktoren ab (Dringlichkeit der Transplantation, Voroperationen). Prinzipiell werden alle personengebundenen Lungentransplantations-Angebote von zwei Internist:innen und von mindestens einem Chirurg der betreuenden Kliniken evaluiert. Eine erste Vorentscheidung über Annahme oder Ablehnung eines Organs erfolgt nach gemeinsamer Beratung anhand der telefonisch übermittelten Daten. Die endgültige Entscheidung trifft dann das Explantationsteam im Spenderhospital nach Inspektion der Lungen und einer Bronchoskopie sowie anhand der aktuellsten Laborwerte. Ist das Spenderorgan geeignet und ist der Empfänger in einem transplantationsfähigen Zustand, wird das Organ für diesen Patienten angenommen. Besteht beim Empfänger eine Kontraindikation für den Eingriff, so wird das Organ von Eurotransplant an den nächsten potentiellen Empfänger auf der Warteliste weitervermittelt.
2. Einbestellung zur Transplantation
Das Transplantationszentrum übernimmt komplett die Organisation des Transports. Hierzu werden alle Möglichkeiten des Krankentransportes eingesetzt (z.B. Krankenwagen, Hubschrauber oder auch Flugzeug). Bis die Narkoseeinleitung für die Transplantation beginnt, besteht leider noch eine gewisse Restunsicherheit, ob die vermittelte Lunge tatsächlich zur Transplantation geeignet ist. Das Organ wird bei der Organentnahme sorgfältig überprüft. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich der Patient der Regel bereits im Transplantationszentrum und wird auf die Transplantation vorbereitet.
Die Transplantation kann nicht durchgeführt werden, wenn das vermittelte Organ sich während der Organentnahme als nicht geeignet herausstellt. Somit besteht prinzipiell die Möglichkeit, dass ein Patient unverrichteter Dinge nach Hause zurückkehren muss. Erfolgt der Transport in den Operationsbereich, ist die Entscheidung endgültig gefallen und die Transplantation kann wie geplant durchgeführt werden.
3. Die Transplantation
In der Vergangenheit wurde für Patienten mit Lungenfibrose und Lungenemphysem die Einzellungentransplantation gewählt, die Doppellungentransplantation vor allem bei pulmonaler Hypertonie oder produktiven Infekten (Mukoviszidose; Bronchiektasien). Die beidseitige Transplantation bietet bestimmte Vorteile, so dass mittlerweile die beidseitige Transplantation bevorzugt wird. Der Mangel an Spenderorganen und das Risiko der Patient auf der Warteliste rechtfertigen jedoch auch die einseitige Transplantation bei bestimmten Konstellationen.
Die Implantation der Spenderorgane erfolgt mit standardisierter Technik, wobei die beidseitige Lungentransplantation nicht als Organblock, sondern als sog. sequentielle Einzellungentransplantation durchgeführt wird. Während eine Lungentransplantation bei pulmonaler Hypertonie nur mit Einsatz der Herz-Lungenmaschine durchgeführt werden kann, kann dieser Einsatz bei anderen Grunderkrankungen meist vermieden werden.
4. Die Tage danach
Die Dauer des Aufenthaltes auf der Intensivstation bzw. in der Klinik lässt sich schwer voraussagen. Unter idealen Bedingungen beträgt der Aufenthalt auf der Intensivstation drei bis sieben Tage, der Aufenthalt in der Klinik zwei bis drei Wochen. Diese Zeit kann sich jedoch durch das Auftreten unerwarteter Probleme verlängern. In der Reihe der Akutkomplikationen nach der Transplantation sind septisch verlaufende Infektionen, CMV-Infektionen, Transplantatversagen, Herzversagen und Abstoßungsreaktionen führend. Die Mehrzahl der Patienten ist allerdings 6 bis 8 Wochen nach der Transplantation, unterstützt von einer Anschlussheilbehandlung, wieder nahezu normal belastungsfähig und nicht mehr sauerstoffabhängig.
Die erforderlichen Nachuntersuchungen werden nach der Anschlussheilbehandlung in zunächst wöchentlichen Abständen im Transplantationszentrum durchgeführt (ambulant und stationär am Universitätsklinikum in Gießen). Stellt sich hierbei heraus, dass keine Probleme wie z.B. Abstoßungen oder Infektionen auftreten, werden die Intervalle zwischen den Nachuntersuchungen langsam gestreckt. Neben diesen Untersuchungen gehören in der Regel auch Bronchoskopien zum Kontrollprogramm, die 1 Woche sowie 3, 6 und 12 Monate nach der Transplantation geplant werden.
Ein Jahr nach der Transplantation liegen die Kontrollintervalle in der Regel bei sechs bis acht Wochen. Dazwischen liegen Blutuntersuchungen, die die Patienten bei Ihrem Hausarzt durchführen lassen können. Die Kontrollen bestimmter Laborparameter, z.B., Entzündungs-, Nieren-, Leber-, Elektrolyt-, Cholesterin-, und Blutzuckerwerte, sowie Blutspiegel der Immunsuppressiva finden zunächst 14-tägig (sofern keine Auffälligkeiten festzustellen sind) und später monatlich statt.
5. Immunsuppression
Im Gegensatz zu anderen Operationen (wie z.B. der Entfernung von Lungengewebe oder einer Gallenblase), ist bei einer Transplantation die Behandlung mit dieser Operation nicht abgeschlossen. Der Körper erkennt das verpflanzte Organ aufgrund der komplexen genetischen Informationen im Spenderorgan nicht als eigenes Gewebe an, obwohl es blutgruppenidentisch ist. Die natürliche Reaktion darauf ist, dass sich der Körper gegen das fremde Organ wehrt, wie gegen fremde Organismen bei einer Infektion. Diese Abstoßungsreaktion ist nach einer Transplantation normal und wird bei der Mehrzahl der Patienten beobachtet. Deshalb müssen die u. g. Medikamente vorbeugend eingenommen werden. Wichtig ist in der Zeit nach einer Transplantation, dass durch sorgfältige Nachuntersuchungen eine Abstoßungsreaktion rechtzeitig erkannt und behandelt wird. Dies muss in Ausnahmefällen auch im Transplantationszentrum mit stärkeren Medikamenten erfolgen.
Traditionell werden die Transplantierten mit einer Dreifachkombination aus den Immunsuppressiva Tacrolimus (Prograf®), Mycophenolat (CellCept®) und Steroiden (Kortison) behandelt. Eine sog. Induktionsbehandlung mit Substanzen, die zusätzlich die Immunabwehr unterdrücken (ATG oder OKT 3) wird kontrovers diskutiert. Lediglich 45 % aller Empfänger werden mit einer Induktionstherapie antherapiert.
Eine akute Abstoßung nach der Transplantation wird durch eine mehrtägige Kortison-Therapie behandelt. Infektionen durch Bakterien, Viren und andere Keime sind ein weiterer Focus der Betreuung Transplantierter. Rechtzeitige und aggressive Diagnostik und gezielte Behandlung sind entscheidend für eine erfolgreiche Therapie der Infektion. Deshalb gehört in Ergänzung zu der Immunsuppression die vorbeugende Einnahme von Medikamenten gegen bakterielle, virale und Pilzinfektionen zum Therapieschema.
Alle Medikamente sollten regelmäßig, zur gleichen Zeit und in der Dosis, wie vom Arzt empfohlen, eingenommen werden. Die Einnahme zusätzlicher Medikamente oder das Verhalten, wenn eine Dosis vergessen wurde, müssen unbedingt mit dem Transplantationszentrum abgesprochen werden. Ein zuständiger Arzt des Transplantationsteams ist immer erreichbar.
Hauptproblematik
Die Hauptproblematik der thorakalen Organtransplantation besteht in der chronischen Abstoßungsreaktion. Diese sog. Bronchiolitis obliterans oder chronisches Transplantatversagen führt im ungünstigen Fall zu einer fortschreitenden Verschlechterung der Lungenfunktion und bestimmt somit die Langzeitergebnisse. Entsprechend dem Register der Deutschen Gesellschaft für Organtransplantation leben nach einem Jahr noch 73 %, nach fünf Jahren noch 55 % aller Organempfänger, in Abhängigkeit von der Grunderkrankung z. T. auch weniger als 50 %. Mögliche Behandlungsoption ist ein Wechsel der Immunsuppressiva bzw. kann im Einzelfall auch eine Re-Transplantation in Frage kommen.
Trotz aller Schwierigkeiten bleibt die Lungentransplantation eine gute Therapieoption für Patienten mit Lungenerkrankungen im Endstadium. Der transplantierte Patient hat gute Chancen sein „neues Leben“ mehrere Jahre zu genießen.
Zeit danach
Die Wartezeit und auch die Zeit nach der Transplantation sind psychisch nicht unproblematisch. Eine Organtransplantation ist eine lebensverändernde Operation. Die Patienten müssen sich erst wieder in einen "normalen" Alltag, der sich gegenüber früher verändert hat, eingewöhnen. Auch für die Angehörigen ist diese Situation nicht einfach.
Es gibt zahlreiche Angebote für Transplantierte und Ihre Angehörigen, um das Gespräch mit anderen Patienten bzw. Angehörigen von Organtransplantierten zu suchen und über Ängste und Probleme zu reden, aber auch über die schönen Erfahrungen auszutauschen, die dank des neuen Organs wieder bzw. erstmals möglich sind.
Kerckhoff-Klinik GmbH
PD Dr. S. Guth
PD Dr. D. Prüfer
Lungenzentrum
Abteilung für Thoraxchirurgie
Benekestr. 2-8
61231 Bad Nauheim
Tel.: + 49 60 32. 9 96 64 25
Fax: + 49 60 32. 9 96 24 17
Ansprechpartner für Betroffene und Angehörige:
Herr Wolfgang Kothe
Wolfgang.kothe@bdo-ev.de
Tel.: 06446/28 11
Herr Lutz Krauß
Lutz.krauss@bdo-ev.de
Tel.: 06150/97 80 061
Frau Roswitha Jerusel
Roswitha.jerusel@bdo-ev.de
Tel.: 0271/93 99 101
Leiter des Transplantationsprogramms
Transplantationsbeauftragter der Kerckhoff-Klinik
Prof. Dr. M. Richter, OA Herzchirurgie
Verantwortlicher Sektion Lunge:
Priv.-Doz. Dr. S. Guth, Direktor Thoraxchirurgie
Notfalltelefon:
Tel.: 0 60 32. 9 96 24 87