Mit dem Sommer beginnt für viele die Reisezeit – ob mit dem Auto Richtung Süden, mit dem Flugzeug in die Ferne oder mit dem Zug in die Berge. Was viele nicht wissen: Wer stundenlang sitzt, riskiert mehr als nur steife Beine. Das Risiko einer Venenthrombose kann deutlich ansteigen. PD Dr. Jörg Herold, Direktor der Angiologie am Gefäßzentrum der Kerckhoff-Klinik, erklärt, wie Fernreisen das Thromboserisiko beeinflussen – und was man tun kann, um sicher anzukommen. Ziel ist es, das Bewusstsein für diese unterschätzte Gefahr zu schärfen.
Eine Thrombose ist ein Blutgerinnsel, das sich meist in den tiefen Venen der Beine bildet. Venen transportieren das sauerstoffarme Blut aus dem Körper zurück zum Herzen – etwa vom großen Zeh bis zum rechten Herzen. Dieser Rückfluss wird durch die sogenannte Muskelpumpe in der Wade unterstützt, also durch Bewegung. „Wer sich kaum bewegt, etwa weil er stundenlang im Auto oder Flugzeug sitzt, aktiviert diese Muskelpumpe nicht – das Blut staut sich in den Beinen, die Fließgeschwindigkeit sinkt. Die mögliche Folge: Es kann sich ein Gerinnsel bilden“, so der Gefäßexperte am Campus Kerckhoff.
Zusätzlich trinken viele Reisende bewusst weniger, um Toilettengänge zu vermeiden. Der dadurch entstehende Flüssigkeitsmangel macht das Blut zähflüssiger, wodurch sich das Risiko für eine Thrombose weiter erhöht.
Besonders gefährdete Personen
Von einer Langstreckenreise spricht man ab einer Reisedauer von sechs Stunden – ganz gleich, ob man mit dem Auto, dem Flugzeug oder dem Zug unterwegs ist. Besonders gefährdet für eine Reisethrombose sind Personen mit bestimmten Vorerkrankungen oder bekannten Risikofaktoren. Dazu gehören bereits durchgemachte Thrombosen, Krampfadern, Krebserkrankungen in der Vorgeschichte oder Übergewicht, eine Schwangerschaft sowie akute Infekte oder Verletzungen. Auch eine genetische Vorbelastung kann das Risiko erhöhen. Zudem spielt die Körpergröße eine Rolle. Große Menschen haben oft weniger Beinfreiheit in z.B. Flugzeugen, was die Gefahr einer Thrombose zusätzlich steigern kann.
Warnzeichen einer Thrombose
Oft zeigen sich Symptome wenige Tage nach der Reise. Einseitige, muskelkaterähnliche Schmerzen in der Wade, Schwellungen, Überwärmung oder ein bläulich verfärbtes Bein sind ernstzunehmende Warnzeichen. In diesen Fällen sollte umgehend ein Arzt aufgesucht werden.
„Bewegung ist die einfachste und effektivste Maßnahme zur Vorbeugung“, betont PD. Dr. med. J. Herold. Er rät dazu, bei langen Autofahrten etwa alle zwei Stunden eine Pause einzulegen, sich die Beine zu vertreten, Kniebeugen zu machen oder auf der Stelle zu gehen. Im Flugzeug oder Zug sollten Reisende die Schuhe ausziehen, die Füße kreisen, die Zehen bewegen oder – wenn möglich – im Gang auf und ab gehen. Auch ausreichend Flüssigkeit ist wichtig: Als Faustregel gilt rund 250 Milliliter Wasser pro Flugstunde. Auf entwässernde Getränke wie Alkohol oder koffeinreiche Energydrinks sollte während der Reise hingegen verzichtet werden.
Für bestimmte Risikogruppen kann eine vorbeugende medikamentöse Behandlung sinnvoll sein. Dazu zählen Menschen über dem 50 Lebensjahr, mit bekannten Risikofaktoren, Patientinnen und Patienten mit kürzlich erfolgten Operationen oder frischen Verletzungen sowie Personen mit familiärer Vorbelastung oder bekannten erblichen Risikofaktoren für Thrombosen. Besteht Unsicherheit, sollte vor einer geplanten Langstreckenreise in jedem Fall ärztlicher Rat eingeholt werden.
Warnzeichen frühzeitig erkennen
Wird eine Thrombose vermutet, sollte schnell gehandelt werden. Der ärztliche Bereitschaftsdienst oder die Hausarztpraxis sind erste Anlaufstellen. In der Regel wird mit blutverdünnenden Medikamenten behandelt – entweder als Tablette oder Spritze. Kompressionsstrümpfe oder eine Wickelung mit Kurzzugbinden unterstützen die Therapie und beugen Spätfolgen vor.
Das Gefäßzentrum der Kerckhoff-Klinik bietet werktags eine spezialisierte Thromboseabklärung und Behandlung an. „Bei begründetem Verdacht untersuchen wir mit Ultraschall und können – falls notwendig – die Therapie sofort beginnen oder eine stationäre Aufnahme veranlassen“, so PD Dr. med. J. Herold.
Wichtigster Ratschlag zum Urlaubsstart
„Bewegung, ausreichend Flüssigkeit und individuelle Risikoabwägung – das sind die drei zentralen Säulen der Thrombose-Vorsorge auf Reisen“, fasst PD Dr. Herold zusammen. „Wer im Urlaub plötzlich Beschwerden im Bein bemerkt, sollte dies auch im Ausland unbedingt ärztlich abklären lassen – lieber zu früh als zu spät.“
Über das Gefäßzentrum der Kerckhoff-Klinik
In der Wetterau – und besonders in Bad Nauheim – hat die Diagnostik und Behandlung von Gefäßerkrankungen eine lange Tradition. Ihren Ursprung nahm sie in den 1980er Jahren mit der Eröffnung der William-Harvey-Klinik am Kaiserberg, einer Fachklinik für Gefäßkrankheiten.
Heute ist daraus das Gefäßzentrum der Kerckhoff-Klinik hervorgegangen – das größte seiner Art in Hessen. Die Abteilung Angiologie bildet gemeinsam mit der Gefäßchirurgie das Zentrum und widmet sich der Funktion und den Erkrankungen von Arterien, Venen und Lymphgefäßen.
Am Campus Kerckhoff befindet sich zudem die GZW Diabetes-Klinik, die eine wichtige Rolle in der Behandlung gefäßrelevanter Begleiterkrankungen spielt. Weitere Partner im Netzwerk sind die auf interventionelle Radiologie und die Versorgung von Gefäßstenosen spezialisierten Kliniken für Radiologie im Hochwaldkrankenhaus Bad Nauheim und in der Kerckhoff-Klinik sowie die Stroke Unit (Schlaganfallstation) des GZW im Bürgerhospital Friedberg. Gemeinsam bilden sie das „Gefäßzentrum Mittelhessen“.