Die Kerckhoff-Klinik zählt zu den wenigen Kliniken in Europa, die Patienten mit einer Gefäßverengung der Herzkranzgefäße die innovative TCRAT-Methode (Total Coronary Revascularization via left Anterior Thoracotomy) anbieten, um Bypässe zu legen. Diese „Umgehungsstraßen“ ermöglichen es dem Blut, um Engstellen oder Verstopfungen in den Herzkranzgefäßen herumzufließen und so das Herzmuskelgewebe ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Vor kurzem wurden die ersten Patientinnen und Patienten erfolgreich in Bad Nauheim operiert.
Bei dieser neuen minimalinvasiven Methode muss das Brustbein nicht mehr aufgesägt werden. Stattdessen eröffnet das OP-Team den Brustkorb lediglich zwischen der 4. und 5. Rippe unterhalb der Brust auf einer Länge von 6 bis 8 Zentimetern, ohne den Brustknochen zu durchtrennen. Die Schläuche der Herz-Lungen-Maschine werden über die Leiste des Patienten und eine seiner Armarterien in den Körper eingeführt. Durch die kleine seitliche Öffnung am Brustkorb werden Schlingen um das Herz gelegt. Die geschulten Chirurgen können das Herz innerhalb des Brustkorbs drehen und in die optimale Position bringen, um alle Stellen am Herzen – auch an der Hinterwand – zu erreichen. Die Operateure verwenden dabei die identische, lang bewährte Technik zum Aufnähen der Bypässe auf das Herzkranzgefäß wie bei der konventionellen Bypassoperation, ohne auf chirurgische Präzision und Sicherheit zu verzichten.
Prof. Dr. Yeong-Hoon Choi, Direktor der Abteilung Herzchirurgie, ist überzeugt, dass sich die minimalinvasive Methode in diesem Bereich in den kommenden Jahren zunehmend durchsetzen wird. „Die Operationen dauern zwar aktuell noch etwas länger, doch für die Patienten ist diese Methode deutlich schonender und sie sind schneller wieder mobil. Während eine normale Bypass-Operation drei bis dreieinhalb Stunden dauert, benötigen wir derzeit bei der minimalinvasiven Methode noch etwa fünf Stunden", betont Prof. Dr. Choi. Allerdings ist ein solcher Eingriff nicht bei jedem möglich und wird im Vorfeld im Heart-Team konkret besprochen. Beispielsweise fallen Akutpatienten sowie Menschen aus, bei denen die Hauptschlagader zu sehr verkalkt ist oder bei denen die Engstellen ungünstig liegen.
Bisher standen nur zwei Methoden zur Verfügung, um Bypässe zu setzen: Entweder wurde der gesamte Brustkorb geöffnet oder minimalinvasiv operiert, wobei bei letzterem nur ein einzelner Bypass auf das Vorderwandgefäß gelegt werden konnte.
Patienten nach der Herz-OP schneller wieder mobil
Die wesentlichen Vorteile der neuen Operationsmethode sind, dass eine Durchtrennung des Brustbeins vermieden wird. Dadurch bleibt die Stabilität des Brustkorbs direkt nach der Operation vollständig erhalten. Eine frühzeitige Mobilisation wird somit wesentlich erleichtert und das wichtige Abhusten und tiefe Durchatmen in den ersten Tagen nach dem Eingriff fällt leichter. Nach einer minimalinvasiven Bypass-OP können die Patienten ihre Arme sofort über den Kopf heben, was nach einem Brustbeinschnitt monatelang nicht möglich ist. Dadurch kehren die Patienten deutlich schneller in ihren Alltag zurück. Zudem wird das Risiko einer seltenen, aber gefürchteten Wundheilungsstörung des Brustbeines vermieden.
Eine der ersten Patientinnen, bei der die neue Methode angewendet wurde, war die 84-Jährige Regina Kühn. Alles verlief gut und bereits nach knapp einer Woche konnte sie entlassen werden. „Ich hatte danach keine Schmerzen. Und auch die OP-Wunde ist kaum noch sichtbar“, berichtet sie. Prof. Dr. Choi, der das Verfahren mit seinem Team rund um die Oberärzte Dr. Agnes Krüger und Adalbert Skwara in Bad Nauheim schrittweise etablieren möchte, fasst zusammen. „Wir freuen uns, unseren Patienten mit diesem neuen Verfahren eine weitere schonende Methode anbieten zu können.“